Allgemein

6 posts

Kein Verstoß gegen Corona-Regeln bei mehreren Personen in einem Auto

Das AG Dortmund hat entschieden, dass kein Bußgeldbescheid erlassen werden darf, wenn mehrere haushaltsfremde Personen in einem Auto fahren.

Ein privater Pkw ist kein öffentlicher Raum. Aus „baulichen Gründen“ ist die Einhaltung des Mindestabstands gemäß der Corona-Schutzmaßnahmen nicht möglich. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund vom 3. Mai 2021 (AZ: 729 OWi – 127 JS 200/21-54/21), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert.

In dem Bußgeldbescheid wurde drei Personen vorgeworfen, zusammen in einem Auto gefahren zu sein und den Mindestabstand von 1,50 Metern nicht eingehalten zu haben. Die Personen gehörten unterschiedlichen Haushalten an. Dies hätte einen Abstandsverstoß gegen die Corona-Schutzmaßnahmen darstellen können.

Das Gericht sah dies anders.

Zunächst stellte es fest, dass zu dem fraglichen Zeitpunkt die Corona-Schutzverordnung NRW die Mindestabstandsregelung lediglich für den „öffentlichen Raum“ vorsah. Zudem sei geregelt gewesen, dass die Unterschreitung des Mindestabstands möglich war, wenn aus „baulichen Gründen“ keine Einhaltung möglich wäre.
Ein privater Pkw sei zunächst kein „öffentlicher Raum“, stellte das Gericht klar. Zudem wären alle Sitzplätze bestimmungsgemäß und nach straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zulässig besetzt gewesen. Bei der Nutzung dieser Sitzplätze könne also der Mindestabstand aus „baulichen Gründen“ nicht eingehalten werden. Daher waren die Betroffenen freizusprechen.

Quelle: Pressemitteilung des DAV VerkR Nr. 34/2021 v. 08.11.2021 auf juris.de

„Stalking“ kann teuer werden: Stalkender Nachbar muss Umzugskosten zahlen

Wer seine Nachbarn durch beharrliche Bedrohungen mit der Verletzung ihrer Gesundheit oder gar ihres Lebens zum Wegzug veranlasst, kann ihnen zum Ersatz der durch den Umzug entstehenden Schäden verpflichtet sein. Mit dieser Aussage hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe am 5. November 2021 der Berufung eines Ehepaares gegen ein klageabweisendes Urteil des Landgerichts Mannheim teilweise Folge gegeben. Der ehemalige Nachbar des Ehepaares wurde zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von über 44.000 Euro verurteilt.

Der heute 63 Jahre alte Mann hatte nach dem Einzug der Familie in ihr neu errichtetes Mannheimer Eigenheim im Jahr 2014 alsbald damit begonnen, diese zu schikanieren. Dies reichte von ständigen, über das sozialadäquate Maß hinausgehenden Beobachtungen vom eigenen Fenster aus über nächtliche Klopfgeräusche an der Hauswand der Familie bis hin zu wiederholten derben Beleidigungen und gipfelte in zwei konkreten Todesdrohungen im Jahr 2017: Während sich der Mann am 1. April 2017 noch darauf beschränkt hatte, dem Ehepaar damit zu drohen, eine Pistole aus seinem Haus zu holen, lief er dem Ehemann am Abend des 27. Juli 2017 mit einem erhobenen Beil hinterher. Nur weil der Ehemann fliehen konnte, wandte sich der Nachbar den beiden Kraftfahrzeugen des Ehepaares zu und schlug mit dem Beil auf sie ein, wodurch ein erheblicher Sachschaden entstand.

Die Familie entschloss sich daraufhin zum Umzug, bezog zunächst für einige Monate eine Mietwohnung und erwarb sodann ein neues Eigenheim. Die durch den Umzug entstandenen Kosten sowie die Nebenkosten für den Erwerb des neuen Hauses (Grunderwerbsteuer und Notarkosten), aber auch den Mindererlös bei der Veräußerung ihres verlassenen Familienheimes, nachdem sie die Käufer auf die bisherigen Verhaltensweisen des Nachbarn hingewiesen hatten, sowie die bei der Veräußerung entstandene Maklercourtage wollten die Eheleute ersetzt haben. Sie erhoben gegen ihren ehemaligen Nachbarn daher eine Schadensersatzklage über insgesamt mehr als 113.000 Euro. Damit hatten sie beim Landgericht Mannheim jedoch keinen Erfolg.

Im Berufungsverfahren sprach ihnen das Oberlandesgericht Karlsruhe jetzt aber mehr als 44.000 Euro zu. Zur Begründung hat der Senat darauf hingewiesen, dass sich der Nachbar durch sein Verhalten wegen Nachstellung (§ 238 Abs. 1 Nr. 4 Strafgesetzbuch) und wegen Bedrohung (§ 241 Strafgesetzbuch) strafbar gemacht und damit zugleich Schutzgesetze zugunsten des Ehepaares verletzt hat. Aus dieser Schutzgesetzverletzung resultiert zivilrechtlich ein Schadensersatzanspruch des Ehepaares (§ 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch). Der Anspruch reicht aber nur soweit, wie die geltend gemachten Schäden auch vom Schutzzweck der Strafnormen erfasst sind. Einen solchen „Schutzzweckzusammenhang“ hat der Senat für diejenigen Kosten, die zur Wiederherstellung des persönlichen Sicherheitsgefühls aufgewandt werden mussten, gesehen. Er hat den Beklagten daher zur Erstattung der Umzugskosten sowie der Nebenkosten im Zusammenhang mit dem Erwerb des neuen Eigenheimes und damit zur Zahlung eines Betrags von über 44.000 Euro verurteilt. Die Wertminderung an dem verlassenen Familienheim und die im Zusammenhang mit dessen Veräußerung angefallene Maklerprovision hat der Senat demgegenüber als bloße Vermögensfolgeschäden bewertet, die außerhalb des Schutzzwecks der verletzten Strafnormen liegen. Insoweit hatte die Klage daher auch weiterhin keinen Erfolg.

Eine Revision hat der Senat nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung können beide Parteien Beschwerde zum Bundesgerichtshof erheben.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 5. November 2021, Az.: 10 U 6/20
Vorinstanz: Landgericht Mannheim, Urteil vom 20. März 2020, Az.: 1 O 105/18

Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe Nr. 17/2021 v. 10.11.2021

Bußgeld für Nutzung einer Navi-Fernbedienung am Steuer

Die Nutzung einer Fernbedienung zum Zwecke der Bedienung eines Na-vigationsgeräts während der Fahrt kann mit einem Bußgeld geahndet werden. Dies hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln mit Be-schluss vom 05.02.2020 entschieden und den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen ein Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 27.02.2019 als unbegründet verworfen.

Der PKW des Betroffenen ist mit einem Navigationsgerät ausgestattet, dessen Funktionen über eine manuelle Fernbedienung gesteuert werden können. Für diese Fernbedienung ist eine Halterung am Armaturenbrett installiert. Zwar kann die Fernbedienung auch in der Halterung bedient werden, der Betroffene nahm die Fernbedienung jedoch während der Fahrt aus der Halterung in die rechte Hand und gab anschließend Befehle ein, um so das Navigationsgerät zu bedienen. Das Amtsgericht Siegburg hatte ihn daher wegen „fahrlässigen Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO“ zu einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt. Das Oberlandesgericht Köln bestätigte jetzt, dass es sich bei der genutzten Fernbedienung um ein „der Information oder Organisation dienendes elektronisches Gerät“im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO handelt. Die Fernbedienung steuere als elektronisches Gerät das zum Endgerät gelan-gende Signal mittels elektronischer Schaltungen unter Nutzung einer eigenen Stromversorgung. Sie diene auch der Organisation der Ausgabe auf dem Display des ausdrücklich in § 23 Abs. 1a S. 2 StVO genannten Navigationsgerätes. Das Bußgeld sei daher zu Recht verhängt worden.

Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 05.02.2020-Az.III-1 RBs 27/20

Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln v. 26.02.2020

Staatsschutzsenat verurteilt Angeklagten wegen Beteiligung an der Entführung eines vietnamesischen Asylsuchenden aus Berlin zu einer Freiheitsstrafe

Pressemitteilung vom 25.07.2018

Der 3. Strafsenat des Kammergerichts (Staatsschutzsenat) hat heute den 47-jährigen Long N. H. wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Beihilfe zur Freiheitsberaubung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Nach Überzeugung des Gerichts hat der zuletzt in Prag lebende vietnamesisch-tschechische Angeklagte 2017 im Rahmen einer vietnamesischen Geheimdienstoperation an der Entführung der vietnamesischen Staatsangehörigen Xuan Thanh Trinh und dessen Geliebter Thi Minh P. D. aus Berlin mitgewirkt. Das spätere Entführungsopfer Xuan Thanh Trinh, ein in Ungnade gefallener ehemaliger Funktionär der kommunistischen Partei Vietnams, war 2016 nach Deutschland geflüchtet und hatte hier erfolgreich Asyl beantragt, weil ihm in seinem Heimatland verschiedene Wirtschaftsstraftaten vorgeworfen wurden, die er als Vorstandsvorsitzender eines Staatsunternehmens begangen haben soll.

Das Gericht hat zur Begründung seines Urteils ausgeführt, der Angeklagte habe von den Entführungsplänen des vietnamesischen Geheimdienstes gewusst, diese mitgetragen und zu diesem Zwecke am 18. Juli 2017 in Prag ein für die Durchführung von Observations- und Ausforschungsmaßnahmen bestimmtes Fahrzeug angemietet und an einen gesondert verfolgten Tatbeteiligten übergeben, der den Wagen nach Berlin verbracht habe. Zwei Tage später, am 20. Juli 2017, habe der Angeklagte in Prag auch das spätere Entführungsfahrzeug, einen VW Multivan T5, angemietet und habe dieses persönlich noch am selben Tag nach Berlin gefahren. Am 23. Juli 2017 seien Xuan Thanh Trinh und seine Begleiterin im Tiergarten gewaltsam in eben dieses Fahrzeug gezerrt und zur vietnamesischen Botschaft in Treptow-Köpenick gebracht worden. Der Angeklagte N. H. habe anschließend nicht nur das Entführungsfahrzeug zurück nach Prag gefahren, und damit Spuren der Tat beseitigt, sondern noch ein weiteres Fahrzeug zur Verbringung des Entführungsopfers außerhalb Deutschlands angemietet. Xuan Thanh Trinh sei später von der vietnamesischen Botschaft in Berlin über Bratislava und Moskau nach Vietnam verbracht worden, wo er zwischenzeitlich zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt wurde. Die großangelegte Entführung des anerkannten Asylsuchenden durch den vietnamesischen Geheimdienst in Berlin bezeichnete die Vorsitzende des Senats in ihrer Urteilsbegründung als „eklatante Verletzung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland“, der Vorgang sei in der jüngeren Geschichte beispiellos.

Der Angeklagte hatte sich gegen Ende der Beweisaufnahme am 16. Verhandlungstag geständig gezeigt. Das Geständnis war Teil einer Verständigung gemäß § 257c StPO, d.h. der Senat hatte auf Initiative der Verteidigung zu erkennen gegeben, dass er im Falle eines Geständnisses des Angeklagten eine Freiheitsstrafe zwischen dreieinhalb und fünf Jahren für tat- und schuldangemessen erachten würde. Dem hatten sowohl der Angeklagte als auch der Vertreter des Generalbundesanwalts zugestimmt. Letzterer hatte in seinem Plädoyer daraufhin eine Freiheitsstrafe von vier Jahren beantragt, die Verteidigung des Angeklagten eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten werden. Der bestehende Haftbefehl wurde aufrechterhalten, d.h. der Angeklagte verbleibt weiter in Untersuchungshaft.

Aktenzeichen 3 – 1/18
Quelle: Pressemitteilung Nr. 17/2018 vom 16. April 2018