Wer seine Nachbarn durch beharrliche Bedrohungen mit der Verletzung
ihrer Gesundheit oder gar ihres Lebens zum Wegzug veranlasst, kann
ihnen zum Ersatz der durch den Umzug entstehenden Schäden verpflichtet
sein. Mit dieser Aussage hat der 10. Zivilsenat des
Oberlandesgerichts Karlsruhe am 5. November 2021 der Berufung eines
Ehepaares gegen ein klageabweisendes Urteil des Landgerichts Mannheim
teilweise Folge gegeben. Der ehemalige Nachbar des Ehepaares wurde zur
Zahlung von Schadensersatz in Höhe von über 44.000 Euro
verurteilt.
Der heute 63 Jahre alte Mann hatte nach dem Einzug der Familie in ihr
neu errichtetes Mannheimer Eigenheim im Jahr 2014 alsbald damit
begonnen, diese zu schikanieren. Dies reichte von ständigen, über das
sozialadäquate Maß hinausgehenden Beobachtungen
vom eigenen Fenster aus über nächtliche Klopfgeräusche an der Hauswand
der Familie bis hin zu wiederholten derben
Beleidigungen und gipfelte in zwei konkreten Todesdrohungen im Jahr
2017: Während sich der Mann am 1. April 2017 noch darauf
beschränkt hatte, dem Ehepaar damit zu drohen, eine Pistole aus seinem
Haus zu holen, lief er dem Ehemann am Abend des 27. Juli 2017
mit einem erhobenen Beil hinterher. Nur weil der Ehemann fliehen konnte,
wandte sich der Nachbar den beiden Kraftfahrzeugen des Ehepaares
zu und schlug mit dem Beil auf sie ein, wodurch ein erheblicher
Sachschaden entstand.
Die Familie entschloss sich daraufhin zum Umzug, bezog zunächst für
einige Monate eine Mietwohnung und erwarb sodann ein neues
Eigenheim. Die durch den Umzug entstandenen Kosten sowie die Nebenkosten
für den Erwerb des neuen Hauses (Grunderwerbsteuer und
Notarkosten), aber auch den Mindererlös bei der Veräußerung ihres
verlassenen Familienheimes, nachdem sie die Käufer
auf die bisherigen Verhaltensweisen des Nachbarn hingewiesen hatten,
sowie die bei der Veräußerung entstandene Maklercourtage
wollten die Eheleute ersetzt haben. Sie erhoben gegen ihren ehemaligen
Nachbarn daher eine Schadensersatzklage über insgesamt mehr als
113.000 Euro. Damit hatten sie beim Landgericht Mannheim jedoch keinen
Erfolg.
Im Berufungsverfahren sprach ihnen das Oberlandesgericht Karlsruhe
jetzt aber mehr als 44.000 Euro zu. Zur Begründung hat der Senat
darauf hingewiesen, dass sich der Nachbar durch sein Verhalten wegen
Nachstellung (§ 238 Abs. 1 Nr. 4 Strafgesetzbuch) und wegen
Bedrohung (§ 241 Strafgesetzbuch) strafbar gemacht und damit zugleich
Schutzgesetze zugunsten des Ehepaares verletzt hat. Aus dieser
Schutzgesetzverletzung resultiert zivilrechtlich ein
Schadensersatzanspruch des Ehepaares (§ 823 Abs. 2 Bürgerliches
Gesetzbuch).
Der Anspruch reicht aber nur soweit, wie die geltend gemachten Schäden
auch vom Schutzzweck der Strafnormen erfasst sind. Einen
solchen „Schutzzweckzusammenhang“ hat der Senat für diejenigen Kosten,
die zur Wiederherstellung des persönlichen
Sicherheitsgefühls aufgewandt werden mussten, gesehen. Er hat den
Beklagten daher zur Erstattung der Umzugskosten sowie der
Nebenkosten im Zusammenhang mit dem Erwerb des neuen Eigenheimes und
damit zur Zahlung eines Betrags von über 44.000 Euro verurteilt.
Die Wertminderung an dem verlassenen Familienheim und die im
Zusammenhang mit dessen Veräußerung angefallene Maklerprovision hat
der Senat demgegenüber als bloße Vermögensfolgeschäden bewertet, die
außerhalb des Schutzzwecks der verletzten
Strafnormen liegen. Insoweit hatte die Klage daher auch weiterhin keinen
Erfolg.
Eine Revision hat der Senat nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung können beide Parteien Beschwerde zum Bundesgerichtshof
erheben.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 5. November 2021, Az.: 10 U 6/20
Vorinstanz: Landgericht Mannheim, Urteil vom 20. März 2020, Az.: 1 O 105/18
Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe Nr. 17/2021 v. 10.11.2021