Daily Archives: 23. November 2021

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Kein Verstoß gegen Corona-Regeln bei mehreren Personen in einem Auto

Das AG Dortmund hat entschieden, dass kein Bußgeldbescheid erlassen werden darf, wenn mehrere haushaltsfremde Personen in einem Auto fahren.

Ein privater Pkw ist kein öffentlicher Raum. Aus „baulichen Gründen“ ist die Einhaltung des Mindestabstands gemäß der Corona-Schutzmaßnahmen nicht möglich. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund vom 3. Mai 2021 (AZ: 729 OWi – 127 JS 200/21-54/21), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert.

In dem Bußgeldbescheid wurde drei Personen vorgeworfen, zusammen in einem Auto gefahren zu sein und den Mindestabstand von 1,50 Metern nicht eingehalten zu haben. Die Personen gehörten unterschiedlichen Haushalten an. Dies hätte einen Abstandsverstoß gegen die Corona-Schutzmaßnahmen darstellen können.

Das Gericht sah dies anders.

Zunächst stellte es fest, dass zu dem fraglichen Zeitpunkt die Corona-Schutzverordnung NRW die Mindestabstandsregelung lediglich für den „öffentlichen Raum“ vorsah. Zudem sei geregelt gewesen, dass die Unterschreitung des Mindestabstands möglich war, wenn aus „baulichen Gründen“ keine Einhaltung möglich wäre.
Ein privater Pkw sei zunächst kein „öffentlicher Raum“, stellte das Gericht klar. Zudem wären alle Sitzplätze bestimmungsgemäß und nach straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zulässig besetzt gewesen. Bei der Nutzung dieser Sitzplätze könne also der Mindestabstand aus „baulichen Gründen“ nicht eingehalten werden. Daher waren die Betroffenen freizusprechen.

Quelle: Pressemitteilung des DAV VerkR Nr. 34/2021 v. 08.11.2021 auf juris.de

„Stalking“ kann teuer werden: Stalkender Nachbar muss Umzugskosten zahlen

Wer seine Nachbarn durch beharrliche Bedrohungen mit der Verletzung ihrer Gesundheit oder gar ihres Lebens zum Wegzug veranlasst, kann ihnen zum Ersatz der durch den Umzug entstehenden Schäden verpflichtet sein. Mit dieser Aussage hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe am 5. November 2021 der Berufung eines Ehepaares gegen ein klageabweisendes Urteil des Landgerichts Mannheim teilweise Folge gegeben. Der ehemalige Nachbar des Ehepaares wurde zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von über 44.000 Euro verurteilt.

Der heute 63 Jahre alte Mann hatte nach dem Einzug der Familie in ihr neu errichtetes Mannheimer Eigenheim im Jahr 2014 alsbald damit begonnen, diese zu schikanieren. Dies reichte von ständigen, über das sozialadäquate Maß hinausgehenden Beobachtungen vom eigenen Fenster aus über nächtliche Klopfgeräusche an der Hauswand der Familie bis hin zu wiederholten derben Beleidigungen und gipfelte in zwei konkreten Todesdrohungen im Jahr 2017: Während sich der Mann am 1. April 2017 noch darauf beschränkt hatte, dem Ehepaar damit zu drohen, eine Pistole aus seinem Haus zu holen, lief er dem Ehemann am Abend des 27. Juli 2017 mit einem erhobenen Beil hinterher. Nur weil der Ehemann fliehen konnte, wandte sich der Nachbar den beiden Kraftfahrzeugen des Ehepaares zu und schlug mit dem Beil auf sie ein, wodurch ein erheblicher Sachschaden entstand.

Die Familie entschloss sich daraufhin zum Umzug, bezog zunächst für einige Monate eine Mietwohnung und erwarb sodann ein neues Eigenheim. Die durch den Umzug entstandenen Kosten sowie die Nebenkosten für den Erwerb des neuen Hauses (Grunderwerbsteuer und Notarkosten), aber auch den Mindererlös bei der Veräußerung ihres verlassenen Familienheimes, nachdem sie die Käufer auf die bisherigen Verhaltensweisen des Nachbarn hingewiesen hatten, sowie die bei der Veräußerung entstandene Maklercourtage wollten die Eheleute ersetzt haben. Sie erhoben gegen ihren ehemaligen Nachbarn daher eine Schadensersatzklage über insgesamt mehr als 113.000 Euro. Damit hatten sie beim Landgericht Mannheim jedoch keinen Erfolg.

Im Berufungsverfahren sprach ihnen das Oberlandesgericht Karlsruhe jetzt aber mehr als 44.000 Euro zu. Zur Begründung hat der Senat darauf hingewiesen, dass sich der Nachbar durch sein Verhalten wegen Nachstellung (§ 238 Abs. 1 Nr. 4 Strafgesetzbuch) und wegen Bedrohung (§ 241 Strafgesetzbuch) strafbar gemacht und damit zugleich Schutzgesetze zugunsten des Ehepaares verletzt hat. Aus dieser Schutzgesetzverletzung resultiert zivilrechtlich ein Schadensersatzanspruch des Ehepaares (§ 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch). Der Anspruch reicht aber nur soweit, wie die geltend gemachten Schäden auch vom Schutzzweck der Strafnormen erfasst sind. Einen solchen „Schutzzweckzusammenhang“ hat der Senat für diejenigen Kosten, die zur Wiederherstellung des persönlichen Sicherheitsgefühls aufgewandt werden mussten, gesehen. Er hat den Beklagten daher zur Erstattung der Umzugskosten sowie der Nebenkosten im Zusammenhang mit dem Erwerb des neuen Eigenheimes und damit zur Zahlung eines Betrags von über 44.000 Euro verurteilt. Die Wertminderung an dem verlassenen Familienheim und die im Zusammenhang mit dessen Veräußerung angefallene Maklerprovision hat der Senat demgegenüber als bloße Vermögensfolgeschäden bewertet, die außerhalb des Schutzzwecks der verletzten Strafnormen liegen. Insoweit hatte die Klage daher auch weiterhin keinen Erfolg.

Eine Revision hat der Senat nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung können beide Parteien Beschwerde zum Bundesgerichtshof erheben.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 5. November 2021, Az.: 10 U 6/20
Vorinstanz: Landgericht Mannheim, Urteil vom 20. März 2020, Az.: 1 O 105/18

Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe Nr. 17/2021 v. 10.11.2021